Das Leben ist schön

Foto: kangbch auf Pixabay
Foto: kang­bch auf Pix­abay

„Wörter wie Gott und Tod und Lei­den und Ewigkeit muss man wieder vergessen. Man muss wieder so ein­fach und wort­los wer­den wie das wach­sende Korn oder der fal­l­ende Regen. Auss­chliesslich nur noch sein.“
Etty Hille­sum

Im Moment lese ich ein Buch über Mys­tik­erin­nen und Mys­tik­er, vom Mit­te­lal­ter bis in die heutige Zeit, sowie aus unter­schiedlichen Kul­turkreisen und Reli­gio­nen. Dabei hat mich Etty (Esther) Hille­sum beson­ders berührt. Die damals 28-jährige nieder­ländis­che Jüdin schrieb die oben ste­hen­den Zeilen, als sie sich bere­its im Durch­gangslager West­er­bork befand. 1943 wurde sie nach Auschwitz-Birke­nau deportiert und ermordet.

Das Leben im Dunkeln finden

Wie verän­dert sich nun der Text für dich? Er ist nicht an einem spir­ituellen Kraftort mit Meeres­rauschen und med­i­ta­tiv­en Klän­gen im Hin­ter­grund ent­standen. Nein, im Lager herrscht­en Leben­sum­stände, die wir uns nicht vorstellen kön­nen. Mich per­sön­lich fasziniert die Kraft, mit der Etty Hille­sum der erlebten Bru­tal­ität ent­ge­gen­tritt, sich davon nicht vere­in­nah­men lässt und ihr inneres Heilig­tum bewahrt. In einem weit­eren Tage­buchein­trag schrieb sie: „Und den­noch komme ich immer wieder zu dem­sel­ben Schluss: Das Leben ist schön. Und ich glaube an Gott. Und ich will mit­ten­drin in all­dem sein, was die Men­schen ‚Gräueltat­en‘ nen­nen und dann noch sagen: Das Leben ist schön.“

Kraftakt …

Ganz im inneren Frieden aufge­hoben zu sein, los­gelöst von den äusseren Umstän­den, ist sozusagen ein Kennze­ichen in allen mys­tis­chen Schriften. Nur, wie find­est du zu ein­er solchen Leben­shal­tung? Die eigene Geschichte, Prä­gun­gen und Umstände lassen dich glauben, dass du kaum diesen Zugang zu dein­er inneren Kraft find­est. Und selb­st wenn, dann nur unter gross­er Anstren­gung. Ja, du kannst dich auf den beschw­er­lichen Weg machen und Schicht um Schicht abtra­gen, Altes und Ver­gan­ge­nes nochmals anschauen, ver­ar­beit­en, trauern und den Geschehnis­sen mit dem Ver­stand einen tief­er­en Sinn abrin­gen. Wie viele Prozesse dieser Art wirst du wohl durch­laufen müssen und weisst du über­haupt, wonach du genau suchst?

… oder Inspiration

Oder aber du umgib­st dich mit Men­schen bzw. deren Gedanken, die von ihren Erfahrun­gen mit dem inneren Frieden bericht­en. Dabei spielt es keine Rolle, ob du diese Per­so­n­en real triff­st oder einen Pod­cast hörst, ob sie noch leben oder wie Etty Hille­sum Texte hin­ter­lassen haben, ob es deine Nach­barin ist oder jemand Unbekan­ntes. Du wirst spüren, wer wirk­lich Zugang zur inneren Quelle hat, denn diese Quelle ist auch dein Ursprung und löst daher in dir eine Res­o­nanz aus. Die Schwingung wird immer stärk­er und sprengt schliesslich alles Hin­der­liche weg, als würdest du eine Taschen­lampe anknipsen und in ein­er Sekunde die dun­kle Höh­le erhellen.

Wed­er eine bes­timmte Lehre noch spezielle Rit­uale sind dazu notwendig. Sie mögen dir als Hil­fe dienen, doch dein ur-eigenes Erleben und Erken­nen wer­den sie niemals erset­zen. Welchen Weg (es gibt bes­timmt noch viele mehr) magst du wohl wählen? Vielle­icht ruft deine innere Stimme bere­its jet­zt: Das Leben ist schön!

 

Lit­er­atur: Das denk­ende Herz. Die Tage­büch­er von Etty Hille­sum 1941 — 1943, erschienen im Rowohlt-Ver­lag.

einfach-sein-tabi

Wer schreibt da?

Mein Name ist Tan­ja Bischof­berg­er. Über das Sein zu schreiben ist im Grunde ein Wider­spruch. Was ohne Gren­zen ist, schränke ich durch Begriffe nur ein. Den­noch liebe ich es, über Sein-Erfahrun­gen zu bericht­en. Dadurch öffnet sich vielle­icht hie und da eine Tür bei einem Men­schen, sich eben­falls auf diesen wun­der­baren Weg zu machen bzw. anzukom­men. Vielle­icht auch du?