Die Lehre von der Leere

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Fragst du dich gerade, ob ich das Bild ver­ges­sen habe? Natür­lich ist das volle Absicht und diese Ver­wir­rung ist ein­kal­ku­liert, das gehört zum Thema…

Kürz­lich fragte mich jemand, ob ich denn eine bestimmte (spi­ri­tu­elle) Lehre ver­trete. Das brachte mich ins Grü­beln. Tue ich das? Wel­chen Leh­ren bin ich sel­ber gefolgt? Was habe ich ange­nom­men, was ver­wor­fen? Ich mache mich mit die­sem Text auf eine Spu­ren­su­che. Wenn du magst, begleite mich!

Alles nur ein Traum?

Als Kind durch­lebte ich eine Phase der fel­sen­fes­ten Über­zeu­gung, dass alles, was wir als real emp­fin­den, nur ein Traum ist. Ich stellte mir vor, dass wenn ich einen Baum berühre, ich nur das Gefühl habe, seine Rinde zu spü­ren. Dahin­ter sei alles strah­lend hell und pul­sie­rend. Wir träu­men also unser Leben, hal­ten es für real, und wenn wir ster­ben, wachen wir auf und erken­nen die Wahrheit.

Bis zu mei­nem Tod wollte ich aber nicht war­ten. So ent­stand eine tiefe Sehn­sucht, bereits jetzt hin­ter allem was da ist, das Abso­lute und Ewige zu ver­mu­ten und im Ide­al­fall zu fin­den. Ähn­lich, wie mir im Traum bewusst wird, dass ich träume. Diese Suche ent­puppte sich als mei­nen roten Faden im Leben.

Vielleicht Pfarrerin?

Meine spi­ri­tu­elle Reise begann mit 5 Jah­ren. Jeden­falls exis­tiert eine Ton­auf­nahme, auf wel­cher ich einen pri­va­ten Got­tes­dienst durch­führte, mit Weih­nachts­ge­schichte, Lie­dern, Gebet und Taufe (ich spielte sel­ten mit Pup­pen, aber als Täuf­linge eig­ne­ten sie sich hervorragend).

Meine Kin­der- und Jugend­zeit war vom christ­li­chen Glau­ben erfüllt. Ich enga­gierte mich in der evan­ge­li­schen Kir­che und stand auch gerne mal auf der Kan­zel. Kein Wun­der, ermun­ter­ten mich die bei­den Pfar­rer der Kirch­ge­meinde zum Theo­lo­gie­stu­dium. Fast hätte ich die­sen Weg ein­ge­schla­gen. Doch die Vor­stel­lung, sie­ben Jahre lang einen dog­ma­ti­schen Ruck­sack zu tra­gen, schreckte mich ab.

Oder doch ein Medium?

Viele Jahre spä­ter attes­tier­ten mir unter­schied­li­che Men­schen mediale Fähig­kei­ten. Mir waren Begriffe wie „Geis­tige Welt“ oder „Geist­füh­rer“ bis dahin fremd. Ich war neu­gie­rig und wollte her­aus­fin­den, was es damit auf sich hatte (also mit mei­nem angeb­li­chen Talent und der Sache mit den Geist­füh­rern). So absol­vierte ich eine mehr­jäh­rige Aus­bil­dung in Sen­si­ti­vi­tät und Media­li­tät nach der eng­li­schen Tradition.

Mein Bewusst­sein erwei­tere sich tat­säch­lich und ich erlebte zahl­rei­che tief­grei­fende, berüh­rende, heil­same und inten­sive Momente auf einer für mich neuen Ebene. Ich lernte mein Ego zurück­zu­neh­men, damit die geis­tige Ener­gie durch mich hin­durch­flies­sen konnte, um in einer ande­ren Per­son die Selbst­hei­lungs­kräfte anzuregen.

Obwohl viele Men­schen Hei­lung erfah­ren durf­ten, schränkte mich auch die­ser kon­zep­tio­nelle Ruck­sack zu sehr ein, um mich dau­er­haft dem Weg als Medium oder Hei­le­rin zu widmen.

Wie wär’s mit Yogini?

Da in mei­nen Adern indi­sches Blut fliesst, war es an der Zeit, mich mit der öst­li­chen Phi­lo­so­phie zu befas­sen. Im Buch „Auto­bio­gra­phie eines Yogi“ von Para­ma­hansa Yogananda erkannte ich viele eigene Gedan­ken wie­der. Ob sich die Spi­ri­tua­li­tät viel­leicht doch auch in den Genen befin­det? Yogananda reiste als Hindu 1920 in den Wes­ten, brachte den geis­ti­gen Yoga mit und rief die Men­schen dazu auf, das Chris­ten­tum wie­der mit dem Her­zen zu leben und nicht mit dem Kopf.

Was mich zudem beson­ders freute: Meine frühe Vor­stel­lung, dass das Leben nur ein Traum ist, fand end­lich ihre Bestä­ti­gung. Die indi­sche Spi­ri­tua­li­tät besteht aus dem Bestre­ben, die Illu­sion zu erken­nen und zu durch­schauen. Ich spinne also nicht, zumin­dest nicht alleine, denn andere Men­schen gelang­ten zum sel­ben Ein­druck einer rela­ti­ven Wirk­lich­keit und abso­lu­ten Wahrheit.

Oder Mystikerin?

Ich stu­dierte den über 1000-sei­tige Kom­men­tar von Yogananda über die Bha­ga­vad Gita (eine hei­lige Schrift der Hin­dus). Darin ent­deckte ich zahl­rei­che Par­al­le­len zu den Pre­dig­ten von Meis­ter Eck­hart, Mar­gue­rite Poi­rete und ande­ren Mys­ti­ke­rin­nen und Mys­ti­ker. Ich liess mich erneut von die­sen Tex­ten berüh­ren. Jetzt nicht mehr in der Absicht, von ihnen zu ler­nen, son­dern um mein gan­zes Dasein in ihnen wie­der­zu­fin­den, als schaue ich in einen Spie­gel. Ab hier änderte sich alles. Der Kreis schloss sich, ich hörte auf zu suchen, denn die Sehn­sucht nach der Wahr­heit ver­schwand. Alles, das Abso­lute, das Sein, ist längst da und braucht keine Vor­stel­lung, kei­nen Namen, keine Reli­gion, kei­nen Guru.

Die wahre Lehrerin

Zusam­men­fas­send und rück­bli­ckend stelle ich fest: Die spi­ri­tu­el­len Leh­ren wei­sen im Kern immer auf die Stille hin. Sie ist für mich die wahre Leh­re­rin. Ihre Anwe­sen­heit ist stets prä­sent. Selbst wenn ich arbeite, ver­weilt ein Zip­fel mei­ner Auf­merk­sam­keit in ihr.

Pro­biere es aus! Die Stille for­dert nichts von dir, du musst kei­nem Ideal-Bild ent­spre­chen, keine Ent­wick­lungs­stufe erreicht haben. Du wirst ledig­lich leer, alle Gedan­ken, Kon­zepte, Dog­mas und die Annahme, ein indi­vi­du­el­les und getrenn­tes Ich zu sein, lässt du los. Dann hebt die Stille den Schleier und du erkennst dich als Teil des ewi­gen Seins – die Leere wan­delt sich in die abso­lute Fülle.

In dem Sinne ist meine Lehre die der Leere. Des­halb würde ich mich auch nie als Leh­re­rin bezeich­nen, son­dern höchs­tens als Lee­re­rin, die andere Men­schen ermu­tigt, die Stille auf­zu­su­chen, um die­ses Wun­der sel­ber zu erfahren.

P.S.: Jetzt weisst du auch, warum das Bild fehlt. Die Leere bedeu­tet nicht, dass nichts da ist, son­dern nur, dass alles mög­lich ist. Was siehst du darin? Wel­chen Leh­ren folgst du? Brauchst du über­haupt eine Lehre? Magst du mir davon erzählen?

einfach-sein-tabi

Wer schreibt da?

Mein Name ist Tanja Bischof­ber­ger. Über das Sein zu schrei­ben ist im Grunde ein Wider­spruch. Was ohne Gren­zen ist, schränke ich durch Begriffe nur ein. Den­noch liebe ich es, über Sein-Erfah­run­gen zu berich­ten. Dadurch öff­net sich viel­leicht hie und da eine Tür bei einem Men­schen, sich eben­falls auf die­sen wun­der­ba­ren Weg zu machen bzw. anzu­kom­men. Viel­leicht auch du?