Die Mär von der einzig wahren Berufung
Hast du deine wahre Berufung schon gefunden? Kennst du deinen Seelenplan und welche Aufgabe du auf dieser Erde zu erfüllen hast? Nein? Dann zeige ich dir 3 Methoden, wie du deine einzig wahre Berufung findest, denn nur so wirst du im Leben endlich dauerhaft glücklich werden. Melde dich hier an…
Ich hoffe du ahnst, dass dieses Angebot nicht von mir stammen kann. Ich habe jedoch kürzlich eine so ähnlich lautende Ausschreibung entdeckt. Das hat mich dazu bewogen, über meinen eigenen Berufungsweg zu reflektieren.
Es war einmal…
Ich erörtere die oben stehende Aussage mal in anderen Worten: Da hat also das Universum, Gott, das Karma oder ich selbst als noch nicht inkarniertes Wesen ein Ei mit viel Liebe bemalt und darin als Überraschung meine Berufung hineingelegt (Ähnlichkeiten mit einem existierenden und käuflichen Produkt sind zufällig). Dieser Schatz wurde in eine Energiewolke gehüllt und gut versteckt, just zu dem Zeitpunkt, als ich aus dem Mutterleib schlüpfte und durch die infantile Amnesie sämtliche Anhaltspunkte über den Aufenthaltsort des Eies vergass.
Meine Lebensaufgabe besteht nun darin, dieses Überraschungsei zu finden, bevor ich das Zeitliche segne, denn schliesslich möchte ich doch möglichst lange glücklich sein. Manche Menschen finden ihre Berufung schnell, andere stossen relativ spät mit der Nase drauf, weil es aus einer Ecke unglaublich ekelhaft riecht. Habe ich also mein Ei nicht gefunden ehe es verfault, komme ich entweder nicht in den Himmel oder muss im nächsten Leben nochmals eine Runde drehen, je nach Konzept. Was für ein Stress aber auch…
So war es bei mir
So überspitzt erlebte ich meine eigene Suche nach der Berufung natürlich nicht. Aber ein Körnchen Wahrheit steckte schon drin. Ich empfand die Vorstellung, dass eine höhere Intelligenz sich für mich etwas Besonderes ausgedacht hat, sehr schön und vor allem beruhigend. Irgendwer hat den Überblick und weiss, was gut für mich ist. Keine leichte Aufgabe, denn wie sich herausstellte, gehörte ich zum Typus «Brausetablette»: Am Anfang zischt, sprudelt und prickelt es im Glas, doch ist das runde Ding erst mal eine Weile aufgelöst, bleibt nur ein fader Geschmack mit einer unnatürlichen Farbe. Übersetzt: Mich interessierten laufend neue Dinge, doch kaum hatte ich den Dreh raus, lockte das Nächste. Wie sollte ich da meine einzig wahre Berufung finden?
Die Auswahl war gross: Pfarrerin, Betriebswirtin, Programmiererin, Naturheilpraktikerin, Medium und Heilerin, Berufsbildnerin, Schriftstellerin, Coach und viele andere Dinge. Verblüffend war, dass sich jede Berufung in der jeweiligen Phase als die einzig Richtige anfühlte. Liess die Begeisterung nach, folgte eine Zeit des Zweifelns, ob ich mich denn überhaupt noch auf der Marschroute des höheren Planes bewegte. Ich versuchte mit teilweise sehr kreativen Methoden, Büchern und Seminaren mein Überraschungsei erneut anzupeilen.
Perspektivenwechsel
Eines Tages empfand ich die Berufung nicht mehr als linear, vorbestimmt, mit Erwartungen behaftet oder irgendwie karmisch verknüpft. Dieser Gedanke war plötzlich verschwunden. Was war geschehen? Ich weiss es ehrlich gesagt nicht. Die Sichtweise hat sich verändert. Vielleicht erinnerst du dich an die 3D-Bilder aus den 90er Jahren. Da musste man auf eine bestimmte Art auf die bunte Fläche gucken und dann erschien ein dreidimensionales Bild im Bild. Ein weicher Blick war gefragt, als wolle man das Vordergründige gar nicht betrachten, sondern bloss hindurchsehen, um dahinter das versteckte Geheimnis zu entdecken. So hat sich auch die Fixierung auf die eine wahre Berufung aufgelöst, und das ist unglaublich befreiend.
Vom Augenblick berufen
Vermutlich wäre ich sogar eine gute Pfarrerin oder Naturheilpraktikerin etc. geworden. Alle diese Veranlagungen bleiben weiterhin ein Teil von mir und kommen in ganz unterschiedlichen Formen und Gelegenheiten zum Ausdruck. Heute fühle ich mich einzig vom Leben berufen, von der Magie des gegenwärtigen Augenblicks, egal wo ich bin und was ich tue.
Werde ich denn jetzt gar nie glücklich sein, wenn ich die Mär von der einzig wahren Berufung nicht mehr glaube? Und komme ich nicht mehr in den Himmel, weil ich mein Überraschungsei nicht vorweisen kann? Wohl kaum, denn der Himmel ist schon längst da. Ich nehme ihn in jedem Moment wahr, in welchem ich voller Hingabe und Achtsamkeit das tue, was ich gerade tue, mit allem, was ich bin und kann.
Was ich dir wünsche
Vielleicht befindest du dich selbst gerade auf der Suche nach deiner Berufung oder hast sie bereits gefunden. Dann lasse dich von meinen persönlichen Ansichten bitte nicht verwirren. Natürlich ist es wunderbar, wenn du dich beruflich neu orientierst, deine Talente förderst oder sogar den Schritt in die Selbstständigkeit wagst. Ich wünsche dir nur, dass du neben all deinen Plänen, Vorstellungen und Hoffnungen auch ein Quäntchen Hingabe an den gegenwärtigen Moment reservierst, und sei er noch so alltäglich. Denn hier ruft dich das pulsierende, schöpferische und pure Leben. In dem Sinne gibt es sie doch, die einzig wahre Berufung.
Wer schreibt da?
Mein Name ist Tanja Bischofberger. Über das Sein zu schreiben ist im Grunde ein Widerspruch. Was ohne Grenzen ist, schränke ich durch Begriffe nur ein. Dennoch liebe ich es, über Sein-Erfahrungen zu berichten. Dadurch öffnet sich vielleicht hie und da eine Tür bei einem Menschen, sich ebenfalls auf diesen wunderbaren Weg zu machen bzw. anzukommen. Vielleicht auch du?