Meditation über einen weinroten Pickel

Bild: Manfred Richter von Pixabay
Bild: Man­fred Rich­ter von Pixabay

ein­fach. sein. ist eine feine Sache: Alles anneh­men, was grad geschieht und ent­steht, denn alles ist, wie es ist. Bei einem Spa­zier­gang durch den vom Früh­ling wach­ge­küss­ten Wald, mag das funk­tio­nie­ren. Viel­leicht auch gerade noch, wenn jemand vor dei­ner Nase dein Lieb­lings­müsli weg­schnappt – das Uni­ver­sum meint wohl, dass die­ser Mensch die Nähr­stoffe mehr gebrau­chen kann als du. Ommmmm.

Aber gilt das auch für den Ent­ste­hungs­pro­zess eines rich­tig fie­sen und ekli­gen Pickels, der seine Grösse selbst­ver­ständ­lich zur fal­schen Zeit und vor allem am fal­schen Ort demons­trie­ren will? Ist meine viel geübte Gelas­sen­heit wirk­lich bereit für die­sen Här­te­test? Lies’ wei­ter, und du wirst es erfahren.

Überraschung

Nichts ahnend sagte ich freu­dig zu, als ich für ein Refe­rat ange­fragt wurde. Am Tag des Anlas­ses begrüsste ich wie jeden Mor­gen mein Spie­gel­bild und blickte in einen boden­lo­sen Abgrund… ähm falsch, auf eine ver­däch­tig kon­krete Erhe­bung. Ein wein­ro­ter Pickel hat wäh­rend der Nacht am Kinn das Licht der Welt erblickt. Zu klein, um ihn aus­zu­drü­cken, zu gross, um ihn zu über­se­hen. Und wie bei allen Ereig­nis­sen mit lebens­ein­schnei­den­der Trag­weite, stellte sich auch hier die Frage: Was will mir das jetzt sagen?

Erforschung

Ist es ange­bracht, der Ursa­che auf den Grund zu gehen, viel­leicht muss ein kar­mi­scher Kno­ten in einem frü­he­ren Leben auf­ge­löst wer­den? Geht nicht, scha­ma­ni­sche Rituale dau­ern viel zu lange, mir blei­ben nur noch 2 Stunden.

Mög­li­cher­weise liegt der tie­fere Sinn am Ende in der Absage des Auf­tritts? Kommt nicht in Frage, schliess­lich wurde ICH ange­fragt, die wol­len von MIR etwas hören. ICH bin ja soooo wich­tig. Stopp! Da will mein Ego gerade selbst über sich hin­aus­wach­sen, wie der tem­po­räre wein­rote Makel.

Aber was wer­den all die Leute über mich den­ken, wenn sie mei­nen Pickel sehen? Und sie wer­den ihn sehen, schliess­lich kennt Zoom keine Gnade und zeigt mein Gesicht im Gross­for­mat. Oje, jetzt ver­kriecht sich auch noch das Selbst­wert­ge­fühl in sei­ner Höhle mit­ten im fins­te­ren Wald. Das bringt mich alles echt nicht weiter.

Erkenntnis

Das Ein­zige, was jetzt hilft, ist kal­tes Was­ser im Gesicht. Und siehe da, innert Sekun­den klart mein Geist wie­der auf. Wie Schup­pen fällt es mir von den Augen, dass ich mich im Grunde schon lange nicht mehr über irgend­wel­che Unge­reimt­hei­ten in mei­nem Gesicht oder in All­tags­si­tua­tio­nen auf­rege. Da hat sich wohl ein altes Gedan­ken­mus­ter-Teu­fel­chen einen Spass erlaubt und mich mal wie­der ordent­lich gepikst.

Die Erkennt­nis-Dusche erfrischte mein Bewusst­sein unge­mein: Gehe ich auf die Suche nach der Ursa­che oder kon­stru­iere Theo­rien als Erklä­rung für eine Situa­tion (das darf ruhig auch etwas mehr als nur ein Pickel sein), bewege ich mich auf der rela­ti­ven Ebene des Ver­stan­des. Das mag für den Moment hilf­reich erschei­nen, ist in Wahr­heit jedoch ein Rät­sel­ra­ten ohne Ende.
Gebe ich hin­ge­gen der Stille Raum, zeigt sich das Abso­lute in einer ver­blüf­fen­den Ein­fach­heit: Es ist, was es ist. Ohne Deu­tung und Bewer­tung, ledig­lich umhüllt von der unend­li­chen Weite und Frei­heit des Seins.

Ausgang

Und wie ging’s wei­ter? Aus einem Sta­pel mit T‑Shirts blitze mich von ganz unten ein längst ver­ges­se­nes Ober­teil an, in genau der­sel­ben wein­ro­ten Farbe, mit der sich auch mein Pickel schmückte. Ton in Ton erschien mir als die beste Tar­nung, und so refe­rierte ich gelas­sen vor der Kamera, alles lief bes­tens. Den Pickel hat ver­mut­lich nie­mand ent­deckt, weil meine eige­nen Gedan­ken-Schein­wer­fer die­ses unschul­dige Mal­heur nicht mehr ausleuchteten.

Manch­mal kön­nen die Dinge so ein­fach. sein.

einfach-sein-tabi

Wer schreibt da?

Mein Name ist Tanja Bischof­ber­ger. Über das Sein zu schrei­ben ist im Grunde ein Wider­spruch. Was ohne Gren­zen ist, schränke ich durch Begriffe nur ein. Den­noch liebe ich es, über Sein-Erfah­run­gen zu berich­ten. Dadurch öff­net sich viel­leicht hie und da eine Tür bei einem Men­schen, sich eben­falls auf die­sen wun­der­ba­ren Weg zu machen bzw. anzu­kom­men. Viel­leicht auch du?