Zwischen gestern und morgen

anncapictures auf Pixabay 
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Was liegt zwis­chen dem Gestern und dem Mor­gen? Glück­licher­weise gibt’s da keine Lücke (deshalb geht auch nie jemand beim Jahreswech­sel ver­loren). Trotz­dem ist etwas da, näm­lich das Einzige, was wirk­lich real ist: Die Gegen­wart. Der kür­zliche Über­gang ins 2022 hat bei mir ein paar Gedankengänge aus­gelöst. Vielle­icht hast du auch ein bes­timmtes Rit­u­al gepflegt?

Rückblick

Auf­fal­l­end oft flat­terten anfangs Jan­u­ar umfan­gre­iche Jahres­rück­blicke in mein Post­fach oder in den News­feed auf Face­book. Beein­druck­end, was diese Men­schen alles erlebt und gel­ernt haben und wie sie teil­weise über sich hin­aus gewach­sen sind. Über die Ver­gan­gen­heit zu reflek­tieren ist ein wertvolles Rit­u­al, aus dem viel Kraft gewon­nen wird und auch ther­a­peutisch eine grosse Wirk­samkeit hat.

Ausblick

Eben­so oft ent­deck­te ich im Ver­lauf des ver­gan­genen Dezem­bers Ange­bote für Rit­uale während der Raunächte. Einen grossen Teil stufte ich als ser­iös und heil­sam ein, andere erin­nerten mich an wahre Wun­schkonz­erte à la rosa Pony inklu­sive Märchen­prinz. Weisst du übri­gens, dass du unter gar keinen Umstän­den während der Raunächte die Wäsche draussen aufhän­gen sollst? Nicht etwa aus kli­ma­tis­chen Grün­den (wer will schon in einen stock­steifge­frore­nen Pyja­ma schlüpfen), son­dern weil sich darin Dämo­nen ver­fan­gen kön­nten. Die gelan­gen auf dieses Weise eingewick­elt ins Haus, wär­men sich in der Stube auf und treiben dann ihr Unwe­sen. Natür­lich liegt der Ursprung in den alten Zeit­en, Bräuchen, Leben­sum­stän­den (Tum­bler gab es damals noch keine) und Glaubensvorstel­lun­gen. Back to the roots in allen Ehren, aber bitte nicht, wenn es um meinen kusche­li­gen Pyja­ma geht…

Zeitliche Bindung

Worauf ich hin­aus will: Bei­de Rit­uale sind (mehr oder weniger) an eine Zeit gebun­den. Die Jahres­rück­blicke an die Ver­gan­gen­heit, die Wun­sch-Rau­nachts-Tra­di­tion an die Zukun­ft. Ich per­sön­lich habe bei kein­er Aktion mit­gemacht, weil ich mit dem The­ma Zeit grad selb­st sehr span­nende Dinge erlebe.

Während des Schreibens an meinem Mem­oir muss ich mich gezwun­gener­massen in die Ver­gan­gen­heit ver­set­zen. Da es meine eigene ist, sollte das kein Prob­lem sein. Denkste. Seit län­ger­er Zeit konzen­triere ich mich darauf, ganz im Jet­zt zu leben. Ver­mut­lich fühlt sich deshalb der Akt des Erin­nerns irgend­wie anstren­gen­der an. Nicht dass mich mein Gedächt­nis im Stich lassen würde. Lediglich die Iden­ti­fika­tion mit der Ver­gan­gen­heit scheint sich immer mehr zu ver­flüchti­gen. Ereignisse, egal wie prä­gend, fühlen sich an wie ein Wind­hauch, zwar spür­bar, als ein Teil von mir, und den­noch kaum mehr greif­bar.
Als Gegen­stück wurde ich für einen Vor­trag­ster­min im Jan­u­ar 2023 ange­fragt. Ja, 2023! Auch das löste ein leicht­es meta­ph­ysis­ches Gruseln aus: Wenn nur die Gegen­wart real ist, dann ist das Jahr 2023 so was von irre­al! Nun gut, der Ter­min existiert zumin­d­est jet­zt als Ein­trag in mein­er Agen­da. Alles andere ste­ht in den Ster­nen.

Gegenwärtigkeit

Hast du schon ein­mal ver­sucht, dich ganz der Gegen­wär­tigkeit hinzugeben? Ein Exper­i­ment, das ich dir wärm­sten empfehle. In diesem jet­zi­gen Moment löst du dich von der zeitlich gebun­de­nen Ursache in der Ver­gan­gen­heit oder einem Wun­sch für die Zukun­ft. Nimm’ diese geballte Kraft des Momentes in dir wahr. Alles was war, was du je erlebt, gefühlt und gel­ernt hast, ist in diesem Augen­blick in dir vorhan­den (auch wenn du dich nicht bewusst daran erin­nerst). Gle­ichzeit­ig ist das gesamte Poten­zial an Möglichkeit­en für alles Zukün­ftige eben­falls genau jet­zt präsent, ohne dass du dir etwas vorstellen musst.

Ein konkretes Beispiel gefäl­lig? Wäh­le ein Ereig­nis, welch­es in dir ein neg­a­tives Gefühl aus­gelöst hat (für diese Übung bitte kein noch aktives Trau­ma ver­wen­den). Vielle­icht wur­dest du über­gan­gen und fühltest dich ver­let­zt. Gehe ganz in diese Emo­tion rein, sodass du sie wirk­lich spürst. Und dann löse dich von der damit verknüpften Ursache (hier das Über­gan­gen­wer­den) und ver­suche, nur das Gefühl zu hal­ten. Du wirst erleben, dass dies nicht möglich ist. Das neg­a­tive Gefühl braucht den Bezug zur zeitlich fest­gemacht­en Ursache. Diese Verbindung fehlt jedoch in der jet­zi­gen Gegen­wart.
Auch wenn du dich pos­i­tiv­en Gefühlen hin­gib­st, z. B. bei Man­i­fes­ta­tion­sübun­gen, sind sie dur­chaus real empfind­bar, ver­flüchti­gen sich jedoch, sobald du sie von den vorgestell­ten und gewün­scht­en zukün­fti­gen Bedin­gun­gen löst.

Die Liebe ausdehnen

Eine Aus­nahme ist die Liebe. Tauche für dieses Exper­i­ment ganz in die Liebe ein, die du für eine Per­son empfind­est. So richtig, dass du sie in jed­er Zelle spürst. Wage nun die Loslö­sung von der mit diesem Gefühl ver­bun­de­nen Per­son (keine Sorge du entlieb­st dich deswe­gen nicht :-)). Was geschieht? Die Liebe wird nicht weniger oder ver­schwindet, im Gegen­teil: Sie dehnt sich aus und bleibt nicht auf einen oder einige Men­schen beschränkt. Du begreif­st die wahre Natur der Liebe und erkennst mehr und mehr, dass du selb­st die Liebe BIST und somit alles durch­dringst. Da ist keine Tren­nung mehr zwis­chen dir und der anderen Per­son, zwis­chen dir und allem, was dich umgibt. Alles ist eins.

 

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In der Gegen­wär­tigkeit fällt alles auf einen winzi­gen Punkt zusam­men, alles Ver­gan­gene, Zukün­ftige, Materielle, Geistige, jedes Gefühl, jede Tat, jede Hoff­nung. In dieser Winzigkeit liegt die unendliche kreative Kraft des Seins, in jedem Moment, ger­ade jet­zt. Spürst du’s?

P.S.:

Die Stille führt dich immer in die Gegen­wär­tigkeit. Schau’ mal hier vor­bei: ein­fach. STILL. sein.

einfach-sein-tabi

Wer schreibt da?

Mein Name ist Tan­ja Bischof­berg­er. Über das Sein zu schreiben ist im Grunde ein Wider­spruch. Was ohne Gren­zen ist, schränke ich durch Begriffe nur ein. Den­noch liebe ich es, über Sein-Erfahrun­gen zu bericht­en. Dadurch öffnet sich vielle­icht hie und da eine Tür bei einem Men­schen, sich eben­falls auf diesen wun­der­baren Weg zu machen bzw. anzukom­men. Vielle­icht auch du?