Welches Jenseits darf’s denn sein?

Herbstblätter zum Thema Jenseits
Pub­lic­Do­main­Pic­tures auf Pix­abay

Die Zeit vom 31. Okto­ber bis zum 2. Novem­ber galt und gilt in vie­len Kul­turen als heilig und beson­ders. Die Natur welkt und erin­nert uns an die eigene Sterblichkeit und der Frage, ob und wie es «danach» wohl weit­er geht. Die Vorstel­lun­gen über das Jen­seits sind vielfältig und dienen dazu, uns zu bere­its zu Lebzeit­en mit dem Ende zu befassen und im besten Fall die Angst davor zu ver­lieren.

Die Azteken

Aus der Zeit der Azteken stammt der Brauch des «Día de Muer­tos», der Tag der Toten. Allerd­ings geht es da bunt und heit­er zu und her mit far­bigen Kostü­men, zuck­erüber­zo­ge­nen Toten­schädel-Kuchen und geschmück­ten, überdi­men­sion­ierten Skelet­ten. Nach alt­mexikanis­chem Glauben besuchen die Toten am Ende der Ern­tezeit die Leben­den und gemein­sam wird mit Tanz, Musik und gutem Essen das Leben gefeiert. Die Ver­stor­be­nen gel­ten immer noch als Teil der Gesellschaft, wer­den verehrt und ganz und gar nicht in ein weit ent­fer­ntes Jen­seits ver­frachtet.

Die Kelten

Auch die Kel­ten kan­nten die beson­dere Zeit des Über­gangs zwis­chen Leben und Tod. Je nach Quelle beze­ich­nete «Samhain» das Neu­jahrs­fest und das Ende des Som­mers. Die Ernte wurde begutachtet und eingeteilt, Tiere bes­timmt, welche noch geschlachtet wer­den soll­ten, da sie den Win­ter ohne­hin nicht über­leben wür­den. Auf der religiösen Ebene öffneten Rit­uale die Gren­zen zur Ander­swelt, mit Ver­stor­be­nen kon­nte Kon­takt aufgenom­men wer­den und es war empfehlenswert, sich unbe­d­ingt die Zukun­ft vorher­sagen lassen.

Dank Luther kein Fegefeuer mehr

Im (katholis­chen) Chris­ten­tum zeigt sich alles etwas kom­pliziert­er. Die See­len befind­en sich im Fege­feuer (was nicht mit der Hölle gle­ichzuset­zen ist) und mit Hil­fe von Für­bit­ten der Hin­terbliebe­nen find­en sie nach der Zeit der Läuterung den Weg in den Him­mel. Am 1. Novem­ber wird erst der Heili­gen gedacht («Aller­heili­gen») und am 2. Novem­ber den Nor­mal­sterblichen («Allersee­len»). Erst Mar­tin Luther brachte den 31. Okto­ber ins Spiel, als er 1517 die 95 The­sen an die Tür der Schlosskirche in Wit­ten­berg gehäm­mert haben soll (was umstrit­ten ist). Darin verurteilte er den Han­del mit Ablass­briefen, welche sich damals ger­ade um die Zeit vor Allersee­len ein­er hohen Nach­frage erfreuten. Am 31. Okto­ber wird also der Tag der Ref­or­ma­tion gefeiert und nicht das Leben nach dem Tod. Immer­hin, auch die evan­ge­lis­che Kirche gedenkt den Ver­stor­be­nen, allerd­ings erst Ende Novem­ber, dafür unter dem doch viel ver­söhn­licheren Namen «Ewigkeitsson­ntag».

Wandelbares Jenseits

Meine per­sön­liche Vorstel­lung vom Jen­seits hat sich ein paar Mal gewan­delt. Zuerst glaubte ich an das Paradies, in welch­es man sofort nach dem Tod gelangt (also ohne Umweg über das Fege­feuer (ja ich bin reformiert)).
Später inter­essierten mich die östlichen Ansicht­en, wonach ich nach dem Tod in ein­er anderen (im Ide­al­fall men­schlichen) Form wieder auf der Erde reinkarniere. Das fand ich eine Zeit lang eine coole Vorstel­lung, dann wieder nicht mehr (irgen­det­was musste ich irgend­wann total ver­bockt haben, son­st wäre ich ja jet­zt nicht als Men­sch hier auf der Erde gelandet). Während mein­er Aus­bil­dung zum spir­ituellen Medi­um stellte ich viele Jen­seit­skon­tak­te zu Ver­stor­be­nen her. Das waren sehr reale, berührende und auch heilige Momente. Die Hin­terbliebe­nen emp­fan­den dies als hil­fre­ich, etwas von «drüben» zu erfahren und die Gewis­sheit zu haben, dass «es» irgend­wie weit­erge­ht. Schliesslich erkan­nte ich mich als das reine Sein und damit die Ewigkeit in jedem Moment. Die früheren, jew­eils aus tief­stem Herzen geglaubten Annah­men und die gefühlte Tren­nung von Dies­seits und Jen­seits, lösten sich gän­zlich auf.

Die Angst vor dem Tod verlieren

Deine eige­nen Jen­seits-Vorstel­lun­gen brauchst du jet­zt nicht über den Haufen wer­fen oder zu hin­ter­fra­gen. Im Gegen­teil. Die Auseinan­der­set­zung damit zeigt dir, dass du dir dein­er Sterblichkeit bewusst bist (und das ist im Fall über­haupt nicht selb­stver­ständlich in diesen Zeit­en von Kon­sum, Gier und Selb­st­darstel­lung). Alles was dir irgend­wie hil­ft, die Angst vor dem Tod zu ver­lieren ist unglaublich wertvoll. Suche dazu immer wieder die Stille auf. In ihr ent­deckst du nach und nach deine wahre, unsterbliche Natur und find­est einen tiefen inneren Frieden.

Ich weiss nicht, was «nach­her» kommt oder wie sich das anfühlen wird. Nie­mand weiss das. Ich/wir werde/n es wis­sen, wenn der Tod zum Jet­zt wird. Bis dahin ver­suche ich, möglichst in jedem Augen­blick bere­its die Ewigkeit zu spüren.

Nun wün­sche ich dir einen bun­ten Herb­st!

P.S.:
Passend zum Refor­ma­tion­stag: Wie wär’s mit ein­er «Luther­socke»? Das Stück Selb­st­be­wusst­sein lässt sich auch wun­der­bar ver­schenken 😉.

einfach-sein-tabi

Wer schreibt da?

Mein Name ist Tan­ja Bischof­berg­er. Über das Sein zu schreiben ist im Grunde ein Wider­spruch. Was ohne Gren­zen ist, schränke ich durch Begriffe nur ein. Den­noch liebe ich es, über Sein-Erfahrun­gen zu bericht­en. Dadurch öffnet sich vielle­icht hie und da eine Tür bei einem Men­schen, sich eben­falls auf diesen wun­der­baren Weg zu machen bzw. anzukom­men. Vielle­icht auch du?