Welches Jenseits darf’s denn sein?
Die Zeit vom 31. Oktober bis zum 2. November galt und gilt in vielen Kulturen als heilig und besonders. Die Natur welkt und erinnert uns an die eigene Sterblichkeit und der Frage, ob und wie es «danach» wohl weiter geht. Die Vorstellungen über das Jenseits sind vielfältig und dienen dazu, uns zu bereits zu Lebzeiten mit dem Ende zu befassen und im besten Fall die Angst davor zu verlieren.
Die Azteken
Aus der Zeit der Azteken stammt der Brauch des «Día de Muertos», der Tag der Toten. Allerdings geht es da bunt und heiter zu und her mit farbigen Kostümen, zuckerüberzogenen Totenschädel-Kuchen und geschmückten, überdimensionierten Skeletten. Nach altmexikanischem Glauben besuchen die Toten am Ende der Erntezeit die Lebenden und gemeinsam wird mit Tanz, Musik und gutem Essen das Leben gefeiert. Die Verstorbenen gelten immer noch als Teil der Gesellschaft, werden verehrt und ganz und gar nicht in ein weit entferntes Jenseits verfrachtet.
Die Kelten
Auch die Kelten kannten die besondere Zeit des Übergangs zwischen Leben und Tod. Je nach Quelle bezeichnete «Samhain» das Neujahrsfest und das Ende des Sommers. Die Ernte wurde begutachtet und eingeteilt, Tiere bestimmt, welche noch geschlachtet werden sollten, da sie den Winter ohnehin nicht überleben würden. Auf der religiösen Ebene öffneten Rituale die Grenzen zur Anderswelt, mit Verstorbenen konnte Kontakt aufgenommen werden und es war empfehlenswert, sich unbedingt die Zukunft vorhersagen lassen.
Dank Luther kein Fegefeuer mehr
Im (katholischen) Christentum zeigt sich alles etwas komplizierter. Die Seelen befinden sich im Fegefeuer (was nicht mit der Hölle gleichzusetzen ist) und mit Hilfe von Fürbitten der Hinterbliebenen finden sie nach der Zeit der Läuterung den Weg in den Himmel. Am 1. November wird erst der Heiligen gedacht («Allerheiligen») und am 2. November den Normalsterblichen («Allerseelen»). Erst Martin Luther brachte den 31. Oktober ins Spiel, als er 1517 die 95 Thesen an die Tür der Schlosskirche in Wittenberg gehämmert haben soll (was umstritten ist). Darin verurteilte er den Handel mit Ablassbriefen, welche sich damals gerade um die Zeit vor Allerseelen einer hohen Nachfrage erfreuten. Am 31. Oktober wird also der Tag der Reformation gefeiert und nicht das Leben nach dem Tod. Immerhin, auch die evangelische Kirche gedenkt den Verstorbenen, allerdings erst Ende November, dafür unter dem doch viel versöhnlicheren Namen «Ewigkeitssonntag».
Wandelbares Jenseits
Meine persönliche Vorstellung vom Jenseits hat sich ein paar Mal gewandelt. Zuerst glaubte ich an das Paradies, in welches man sofort nach dem Tod gelangt (also ohne Umweg über das Fegefeuer (ja ich bin reformiert)).
Später interessierten mich die östlichen Ansichten, wonach ich nach dem Tod in einer anderen (im Idealfall menschlichen) Form wieder auf der Erde reinkarniere. Das fand ich eine Zeit lang eine coole Vorstellung, dann wieder nicht mehr (irgendetwas musste ich irgendwann total verbockt haben, sonst wäre ich ja jetzt nicht als Mensch hier auf der Erde gelandet). Während meiner Ausbildung zum spirituellen Medium stellte ich viele Jenseitskontakte zu Verstorbenen her. Das waren sehr reale, berührende und auch heilige Momente. Die Hinterbliebenen empfanden dies als hilfreich, etwas von «drüben» zu erfahren und die Gewissheit zu haben, dass «es» irgendwie weitergeht. Schliesslich erkannte ich mich als das reine Sein und damit die Ewigkeit in jedem Moment. Die früheren, jeweils aus tiefstem Herzen geglaubten Annahmen und die gefühlte Trennung von Diesseits und Jenseits, lösten sich gänzlich auf.
Die Angst vor dem Tod verlieren
Deine eigenen Jenseits-Vorstellungen brauchst du jetzt nicht über den Haufen werfen oder zu hinterfragen. Im Gegenteil. Die Auseinandersetzung damit zeigt dir, dass du dir deiner Sterblichkeit bewusst bist (und das ist im Fall überhaupt nicht selbstverständlich in diesen Zeiten von Konsum, Gier und Selbstdarstellung). Alles was dir irgendwie hilft, die Angst vor dem Tod zu verlieren ist unglaublich wertvoll. Suche dazu immer wieder die Stille auf. In ihr entdeckst du nach und nach deine wahre, unsterbliche Natur und findest einen tiefen inneren Frieden.
Ich weiss nicht, was «nachher» kommt oder wie sich das anfühlen wird. Niemand weiss das. Ich/wir werde/n es wissen, wenn der Tod zum Jetzt wird. Bis dahin versuche ich, möglichst in jedem Augenblick bereits die Ewigkeit zu spüren.
Nun wünsche ich dir einen bunten Herbst!
P.S.:
Passend zum Reformationstag: Wie wär’s mit einer «Luthersocke»? Das Stück Selbstbewusstsein lässt sich auch wunderbar verschenken 😉.
Wer schreibt da?
Mein Name ist Tanja Bischofberger. Über das Sein zu schreiben ist im Grunde ein Widerspruch. Was ohne Grenzen ist, schränke ich durch Begriffe nur ein. Dennoch liebe ich es, über Sein-Erfahrungen zu berichten. Dadurch öffnet sich vielleicht hie und da eine Tür bei einem Menschen, sich ebenfalls auf diesen wunderbaren Weg zu machen bzw. anzukommen. Vielleicht auch du?